Brand im Krematorium Nordheim ZH

Ende April kommt es in einem Teil der Rauchgasreinigungsanlage des Krematoriums Nordheim in Zürich zu einem Brand von Aktivkohle.

Was von aussen unscheinbar aussieht, entpuppt sich im Inneren der Anlage als kniffliges Geduldsspiel.

Das Einsatzstichwort der Alarmmeldung, das die Berufsfeuerwehr (BF) Flughafen von SRZ am 26. April 2022 um 13.55 Uhr erhält, deutet auf einen Bagatelleinsatz hin: „Brand Container / Mulde / Abfalleimer“. Doch Einsatzort und Zusatztext lassen vermuten, dass sich hinter der vermeintlichen Bagatelle mehr verbergen könnte: „Verdacht, dass Aktivkohle in einem abgeschlossenen Behälter brennt. Etwa 500 °C. Isolierungsmaterial ist geschmolzen.“ Die Einsatzleitzentrale (ELZ) von SRZ bietet deshalb von Anfang an den Einsatzleiter BF (EL BF) und eine zusätzliche Autodrehleiter (ADL) auf.

Kein gewöhnlicher Brand

In der Regel löscht man brennende Kohle mit viel Wasser. Bei einer Feuerstelle im Freien mag das funktionieren, nicht aber in einem geschlossenen Behälter in einem Raum. Das Einbringen grosser Mengen von Wasser würde zu einer schlagartigen Verdampfung des Wassers führen, und der damit verbundene Druckanstieg im Behälter könnte diesen bersten lassen. Das Feuer brennen zu lassen, ist ebenfalls keine Option, denn es ist unklar, wie lange der Behälter und die umliegenden Anlagenteile der thermischen Belastung standhalten. Wer holt die Kohlen aus dem Feuer? Eines ist sicher: Das wird ein langer und aussergewöhnlicher Einsatz.

Phase eins (von 14 bis 18 Uhr): Stabilisieren des Filters durch Kühlen von aussen


Der Filter wird von aussen gekühlt.

Das Feuer ist aus unbekannten Gründen im Aktivkohlefilter ausgebrochen und von aussen nur durch einen kleinen Schlitz sichtbar. Der EL BF entscheidet, die Situation zu stabilisieren. Dafür wird das Isolationsmaterial des Filters entfernt und die freigelegte, ca. 5 mm dicke Blechwand vorsichtig von aussen mit Wasser gekühlt. Vorsichtig deshalb, weil die Blechwand sehr heiss ist und vermutlich einer sehr grossen Temperaturdifferenz zwischen der Innen- und Aussenseite ausgesetzt ist. Ein direktes Einwirken auf die brennende Aktivkohle ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich: Aufgrund der hohen Temperaturen lässt sich der Filter nicht öffnen, und die Gefahr einer explosionsartigen Ausdehnung des Wasserdampfs ist zu gross.

Der Einsatz ist aufgrund der grossen Wärme kräftezehrend. Deshalb veranlasst der EL BF, dass die Wärme durch Akku-Lüfter ins Freie geblasen wird, und organisiert über eine Einheit des Zivilschutzes, die im Raum Zürich-Nord im Dienst ist, Getränke und eine Zwischenverpflegung für die Einsatzkräfte. Da vom Brand grosse Sachwerte betroffen sind, bietet der EL BF den Pikettoffizier FWZS (PikOf) für weitere Absprachen vor Ort auf. Dieser berät sich auf der Anfahrt zum Einsatzort telefonisch mit Spezialisten von SEG24, einer Notfallorganisation grosser Bau- und Recyclingfirmen im Raum Zürich.

Phase zwei (von 18 bis 23 Uhr): Dem Feuer den Sauerstoff entziehen (Inertisieren)


Vorbereitungen für den Einsatz des CO2-Fahrzeugs.

Um die geplante Inertisierung mit Kohlensäure durchzuführen, bietet die ELZ das CO2-Fahrzeug der BF Flughafen auf. Es ist mit zwei Gasflaschenbatterien bestückt, in denen sich jeweils neun Flaschen mit insgesamt über 540 kg CO2 befinden. Das Gas wird mithilfe eines sogenannten Fognail – einer Löschlanze − von der „gesunden Seite“, einem vorgelagerten Gewebefilter, in den brennenden Aktivkohlefilter eingebracht. Die (Lösch-)Wirkung ist mithilfe der Wärmebildkamera deutlich wahrnehmbar, reicht jedoch nicht aus.

Weil der Einsatz bereits über vier Stunden andauert, organisiert der EL BF über den Führungsstab von SRZ eine warme Verpflegung für die Einsatzkräfte. Als etwa zwei Stunden später die Gasflaschen des CO2-Fahrzeugs leer sind, greift die Einsatzleitung zu einer ungewöhnlichen Massnahme: Da das Montieren der Ersatz-Gasflaschenbatterien, die in der Wache Flughafen gelagert werden, sehr zeitaufwendig gewesen wäre, wird ein Flugfeldlöschfahrzeug (Florian 4) aufgeboten. Dieses bringt nochmals 270 kg CO2 auf den Schadenplatz.


Ungewöhnliche Massnahme für eine CO2-Leitung: Einsatz Flugfeldlöschfahrzeug.

Der Inertisationsvorgang ist erfolgreich. Trotz eines permanenten Luftstroms im Verbrennungs- und Rauchgasreinigungssystem des Krematoriums (von den Öfen bis zum Kamin) sinken die Temperaturen im Filter so weit, dass die Feuerwehrleute eine Revisionsöffnung an der Oberseite des Filters öffnen können. Damit ist zum einen ein Wärmeabzug geschaffen, zum anderen ist nun ein direkter Zugriff auf die brennende Aktivkohle möglich. Der direkte Einsatz von CO2 auf der brennende Kohle zeigt allerdings weniger Erfolg als erwartet. Die Temperaturen sinken zwar sehr schnell, da das Brandgut aber wieder genügend Sauerstoff erhält, flammt es entsprechend schnell wieder auf – die Temperaturen steigen wieder, sobald kein Löschmittel mehr in den Filter eingebracht wird.

Phase drei (von 23 bis 7 Uhr): Kühlen mit Netzmittel

Die Temperaturen im Filter sinken durch das Einbringen von CO2 noch nicht auf die anvisierte Temperatur von maximal 100 °C. Die Einsatzleitung verzichtet daher darauf, das Brandgut in der Nacht abzusaugen. Da der Einsatz schon lange andauert, entscheidet die Einsatzleitung, die Einsatzstelle abwechslungsweise durch je eine Mannschaft eines TLF der BF überwachen zu lassen. Die Feuerwehrleute sollen versuchen, die glimmende Aktivkohle durch die Zugabe von Netzmittel (0,5 % fluorfreier Schaumextrakt), das von der Logistik gebracht wird, weiter abzukühlen. Für die Feuerwehrleute, die sich ausruhen können, wird das „Suuber? Klar!“-Modul aufgeboten.
Am anderen Tag übernimmt die neue Dienstschicht, der PikOf FWZS ist um 7 Uhr wieder vor Ort. Die Temperatur im Aktivkohlefilter beträgt nur noch rund 50 °C – endlich kann der Saugbagger aufgeboten werden.

Phase vier (von 7 bis 12 Uhr): Entfernen des Brandguts mit Saugbagger

Nach dem Eintreffen der Saugbagger-Equipe besprechen PikOf FWZS, der Zugführer des TLF 7, die Betriebsleiterin des Krematoriums und der Einsatzleiter der Saugbagger-Equipe das weitere Vorgehen. Die betroffene Bahn (Ofen und Filteranlagen) im Krematorium wird komplett stromlos gemacht, auf den anderen sechs Bahnen kann der Betrieb regulär aufgenommen werden. Die Saugbagger-Equipe und die Feuerwehrleute bauen gemeinsam eine rund 60 m lange Saugleitung auf.

Gegen 9.30 Uhr saugen die Arbeiter die mittlerweile nur noch handwarme Aktivkohle mit dem Saugbagger ab. Obwohl das Aktivkohlegranulat aufgrund des Löschwassers teilweise pampig ist und der Saugbagger eine grosse Distanz überwinden muss, zeichnet sich das Ende eines langen Einsatzes ab. Die Mannschaft des TLF 7 sichert den Vorgang mit einer Löschleitung sowie zwei Berufsfeuerwehrmännern mit Atemschutz ab und überwacht den Sauerstoffgehalt im zweiten Untergeschoss mit einem Vier-Gas-Messgerät. Nach etwa 22 Stunden übergibt die BF gegen Mittag die Einsatzstelle wieder an die Betriebsleitung des Krematoriums. Dessen Betrieb war zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Dank des umsichtigen Handelns der BF blieben die anderen Anlagen im Krematorium Nordheim unversehrt.

Aktivkohle

Aktivkohle ist brennbar, besteht zu über 90 % aus Kohlenstoff, hat eine hochporöse Struktur, ist relativ leicht und weist dadurch eine grosse innere Oberfläche auf. Aufgrund dieser grossen inneren Oberfläche ist Aktivkohle ein hervorragendes Adsorptionsmittel, das in vielen Klima- und Lüftungsanlagen zum Einsatz kommt und insbesondere Geruchsemissionen zurückhält. Wie bei allen brennbaren Stäuben mit extrem kleinem Durchmesser kann die Verwirbelung von Aktivkohle in der Luft beim Vorhandensein einer Wärmequelle zu einer Staubexplosion führen.

 

Quelle: Schutz & Rettung Zürich
Bildquelle: Schutz & Rettung Zürich

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